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Was Afrika wirklich braucht

Pascal Mupepele über Herausforderungen und Perspektiven in der Dritten Welt

Gerade in der Weihnachtszeit sind die Menschen mehr als sonst bereit etwas für Andere zu geben. Und so sitzt der Geldbeutel lockerer, wenn es darum geht, den Hilfsbedürftigen in aller Welt ihr Schicksal zu erleichtern. Ganz sicher stellt sich dabei ein gutes Gewissen bei den Spendern ein. Ob ihre Hilfe bei den Betroffenen aber wirklich ankommt und im gewünschten Sinne wirkt, sollte man genauer hinterfragen. „Mythos Entwicklungshilfe“ – unter diesem Titel referierte Pascal Mupepele, Doktorand in politischer Philosophie in der KHG zum Problem der Ausgestaltung von Initiativen in der Dritten Welt. Dabei bezog er Erfahrungen seiner Forschungen vor Ort ein und fragte kritisch nach dem Selbstverständnis von Entwicklungspolitik.
Zu Beginn seiner Ausführungen warf Mupepele einen Blick auf den Begriff der Entwicklungshilfe. Er begegnet uns heute in vielfältigen Facetten, die geprägt werden durch die große Anzahl der Akteure in diesem Bereich. „Es gibt jede Menge Experten: Diplomaten, NGOs, kirchliche Hilfswerke und Politiker, alle sind sie aktiv und gestalten je nach ihrem Anspruch entwicklungspolitische Maßnahmen“, erklärte der Referent. Entwicklungshilfe ist nach seiner Ansicht umfassend zu betrachten und ist nicht nur auf den wirtschaftlichen Aspekt zu reduzieren.
Anfang der 60er Jahre begann für den afrikanischen Kontinent eine Zeit des Umbruchs. Die ehemaligen Kolonien waren zunehmend unabhängig. Gleichzeitig präsentierten sie sich als junge, wirtschaftlich schwache und kaum lebensfähige Staaten. Um dem entgegenwirken und Afrika im kalten Krieg möglichst für die Seite des Westens zu gewinnen bekam Entwicklungshilfe einen hohen Stellenwert. Ganz deutlich waren dabei aber auch die Rohstoffinteressen westlicher Industriestaaten. „Daraus ergaben sich bilaterale und multilaterale Beziehungen, die zur Bekämpfung von Armut und zum Aufbau von Infrastruktur genutzt wurden“, so Mupepele. 50 Jahre später stellt sich nun die Frage, ob dieser Ansatz uneingeschränkt die richtige Lösung darstellt.
Eine rein politische und wirtschaftliche Antwort zu geben, ist nicht das Ziel von Pascal Mupepele. Als Doktorand der politischen Philosophie geht es ihm um einen umfassenden Blick auf den Problembereich Entwicklungshilfe. Um sich aus eigener Anschauung ein Urteil zu bilden, reiste er drei Monate durch verschiedene Staaten Afrikas. Seine Bilanz fällt ernüchternd aus: Vielfach trifft er auf den harten Gegensatz von Reichtum und extremer Not. Slums und Villenvierteln liegen unmittelbar aneinander. Die Chance auf schulische Bildung ist für die große Anzahl der Kinder sehr oft so gut wie nicht gegeben. An malerischen Meeresküsten wird kein Tourismus betrieben, sondern Militärs sichern verlassen Landschaften. Und in manchen Städten wo Gas oder Öl nur so aus dem Boden sprudelt, gibt es keine funktionstüchtige Raffinerie und die Ressourcen werden verschwendet. „Es profitieren wieder andere Staaten, die mit ihren Schiffen vorbeikommen und die Rohstoffe mit in ihre Heimat nehmen“, resümierte Mupepele. Und doch ist viel in Bewegung. Wer mit offenen Augen unterwegs ist, trifft beinahe überall auf Chinesen, die sich quer durch den Kontinent wirtschaftlich engagieren und offenbar die einzigen sind, die von ihren Investitionen profitieren.
Warum erfüllt die Entwicklungshilfe nicht unsere Erwartungen? Mupepele gibt darauf aus seiner Erfahrung heraus einige Antworten. „Viele Entwicklungshelfer, die ich getroffen habe, sind sich nicht genau im Klaren, was sie mit ihrem Engagement bewirken.“ Aus der unüberschaubaren Vielfalt der Hilfsorganisationen habe sich mittlerweile eine „Entwicklungshilfeindustrie“ herausgebildet. Viele kleine Initiativen müssten stärker zusammenarbeiten, um ihr Potenzial effektiver einzusetzen. Noch kritischer zu sehen ist die Tatsache, dass weiterhin große Summen auf dem Weg nach Afrika versickern. „Von dem Geld, das ankommt, bleibt dann ein großer Prozentsatz in den Beamtenapparaten hängen.“ Zielgerichteter werden deshalb Spenden eingesetzt, die direkt an NGOs und kirchliche Organisationen fließen.
Grundsätzlich müsste nach Mupepeles Ansicht aber eine Neuorientierung der Hilfsprojekte stattfinden. „Die Basis eines funktionierenden Staates ist die Bildung. Daher muss in diesem Bereich viel mehr investiert werden.“ Auch in der anschließenden Aussprache mit den Zuhörern stand dieser Ansatz im Mittelpunkt. Eine Gesellschaft, die eine Perspektive für die Zukunft haben möchte, muss sich aus sich selbst heraus entwickeln können. Dies gelingt nur mit einem überzeugenden Bildungskonzept. Kritisch wurde angemerkt, dass dies bisher meist an der Interessenlage der Führungsschichten afrikanischer Staaten gescheitert ist. Nicht ganz unschuldig an dieser Entwicklung sei auch die Haltung Europas, die weniger nach eigenen Interessen ausgerichtet sein dürfte.
Eine Meinung, die allgemein Anklang fand, bezog sich darauf, dass Entwicklungshilfe die Betroffenen nicht entmündigen und nur am Leben halten darf. Es geht vor allem darum, den Impuls für eigene Initiative zu stärken. Von daher sollte Europa in Afrika autoritäre Regime nicht unterstützen und gleichzeitig auf Bildung wie auf eine faire Wirtschaftspolitik setzen. Aber selbst, wenn Europa diesen Weg einschlagen würde, wären die geschäftstüchtigen Chinesen noch lange nicht dafür gewonnen. Entwicklungspolitik muss sich dahin verändern, dass wirklich Hilfe zur Selbsthilfe gegeben wird. Das Ziel hat man vor Augen, aber der Weg dorthin dürfte sehr weit sein.